Wie Gelddrucken funktioniert: Ein Rückblick und ein Ausblick

 Wie Gelddrucken funktioniert

Ein Rückblick & ein Ausblick


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Am Mittwoch fand die letzte Sitzung des Federal Open Market Committee statt. Obwohl der Auftritt von Jerome Powell weniger taubenhaft ausfiel als erwartet sind von Seiten der US-Notenbank keine Zinserhöhungen vor 2023 zu erwarten. Auch ein Ende der Anleihekäufe ist nicht in Sicht, weil die Inflation laut Powell nachhaltig 2% erreichen muss. Im letzten Kommentar dieses Jahr beschäftigen wir uns mit der Geldpolitik der Notenbanken und ihre Folgen und wagen einen Blick in die Zukunft. 


Seit die Federal Reserve im Dezember 2008 mit QE1 begonnen hat und damit denselben Weg wie die Bank of Japan eingeschlagen hat, genau so alt sind einerseits die Wahrnungen vor Inflation auf der einen Seite und andererseits die Sorgen, dass die Fed durch die Bilanzverlängerung die Fed früher oder später nicht mehr unabhängig von der US-Regierung agieren könnte. Kritiker der Kaufprogramme befürchteten, dass die Fed ihre Bilanz nach Ende der Krise nie wieder zurückschrumpfen können. Diese Warnungen flammten bei jeder Neuauflage wieder auf, doch alle Fed-Offiziellen wischten diese vom Tisch und bezeichneten es als ein leichtes, die Bilanz der Fed wieder zurück zu verkürzen. Hier eine kurze Auswahl:




Ein kurzer Blick auf die Zentralbankbilanz im Jahr 2020 reicht, um festzustellen, dass die Farbe wohl so nass war, dass inzwischen die Leinwand in Farbe getränkt ist:


Der einzige Notenbanker seit 2008, der die Bilanz der Federal Reserve leicht verringern konnte, war Jerome Powell. Jedoch mündete dieser Versuch in der Krise am Repo-Markt im Herbst 2019, nachdem QE die Partizipation der Federal Reserve am Repo-Markt ersetzte.


Diese Schritte wurden vor allem notwendig, weil die Zentralbank ihre Leitzinsen bereits auf Null gesenkt hatten und Negativzinsen (im Gegensatz zur BoJ, EZB und SNB) für die Fed kein Thema waren. Wäre QE nicht implementiert worden, hätte die Zentralbank keine Steuerungsmöglichkeiten mehr gehabt.

Doch die Warnungen vor Inflation waren unbegründet. Der amerikanische Konsumentenpreisindex zeigt dies recht deutlich: Die Inflation sank von 2008 bis 2017 kontinuierlich und stieg bis heute gerade mal auf das Niveau von 2015. Damit liegt sie immer noch unter der angepeilten Durchschnittsinflation von 2%.


Warum hat sich die Inflation nicht eingestellt? Es ist wichtig diese Frage zu beantworten, um die zukünftige Inflationsentwicklung abschätzen zu können. Manche Ökonomen und Analysten – insbesondere Proponenten des Keynesianismus oder der Modern Monetary Theory – argumentieren, das die letzten Jahre doch zeigen, dass die Niedrigzinspolitik und die Quantitative Lockerung nicht zu Inflation führt. 


Der Blick auf den Chart zeigt, dass sie recht haben: Inflation ist nicht eingetreten, eigentlich befindet sich die Inflation in einem Abwärtstrend seit den 1980er Jahren, und das, obwohl die Geldmenge stetig gewachsen ist. Um dies zu analysieren müssen wir uns darin erinnern, wie sich die einzelnen geldpolitischen Maßnahmen auf Wirtschaft und Inflation auswirken. 


Zuerst ist es wert festzustellen, dass die Zentralbank zwar über die Festsetzung des Leitzinses die Zinsmärkte beeinflusst und die Geldmenge steuert, die Aufgabe der Geldschöpfung jedoch bei den Geschäftsbanken liegt. Jede Vergabe eines Kredites schafft einerseits eine Verbindlichkeit für den Kreditnehmer gegenüber der Bank, andererseits entsteht dadurch ein Vermögenswert für die Bank. Durch Kreditvergabe verlängern die Geschäftsbanken ihre Bilanz und dadurch steigt die Geldmenge. Da jedoch dieses Geld in der Realwirtschaft landet, führt es auch dazu, dass mehr Güter/Dienstleistungen produziert werden als vor der Geldschöpfung. Wenn mehr Güterangebot auf mehr Geldmenge trifft und das allgemeine Preisniveau am selben Niveau wie davor bleibt. 


2008 startete die Zentralbank mit QE um den Banken unter die Arme zu greifen, da diese zu viele risikobehaftete Kredite vergeben hatten bzw. sich angeblich sichere MBS plötzlich abgeschrieben werden mussten. Die Kontraktion der Geldmenge führte zu einem Preisverfall an den betroffenen Märkten und den Banken drohte ein Liquiditätsengpass.


Hier schritt die Zentralbank ein und kaufte den Banken ihre notleidenden MBS zum Nominalwert ab, wodurch sich die Bilanz der Zentralbank verlängerte, die Banken aber mit Liquidität versorgt wurden. Diese Liquidität (Bankreserven) erscheinen statt den MBS auf der Aktivseite der Bank. Das ist etwa der Mechanismus, so wie ihn der deutsche Ökonom und Erfinder des Begriffes Quantitative Easing, Richard Werner ersonnen hatte. Entsteht bei solchem Vorgehen eine Inflation? Nein, die Geldmenge in der Realwirtschaft bleibt davon völlig unberührt. Theoretisch könnte die Zentralbank den Geschäftsbanken alle Assets abkaufen und es würde trotzdem nicht zu Inflation führen.


Anders verhält es sich, wenn die Zentralbank ein Asset (dabei spielt es keine Rolle welches) aus der Bilanz eines Unternehmens kauft, erhaltet das Unternehmen im Gegenzug für das Asset den Geldbetrag gutgeschrieben. Das unternehmen handelt Assets gegen Bankverbindlichkeiten. Die Bilanz der Geschäftsbanken verlängert sich um eine Reserve auf der Aktivseite vs. einer zusätzlichen Verbindlichkeit gegenüber dem Unternehmen auf der Passivseite. Dabei entsteht die Möglichkeit das Inflationstendenzen entstehen, weil die sowohl die Menge an Zentralbankgeld sowie die Geldmenge in der Realwirtschaft steigt.


Im Prinzip wurden von den Zentralbanken bis jetzt nur diese beiden Methoden angewandt (neben Minuszinsen in einigen Währungsräumen). Doch das war alles vor Beginn der Corona Krise und den massiven Zentralbankprogrammen und fiskalpolitischen Maßnahmen der Regierungen. Die neu geschaffene Geldmenge verweilte zum Großteil in der Finanzwirtschaft man erinnere sich an die großen Aktienrückkaufprogramme der letzten Jahre. 


Ein andere Punkt ist die Umschlagshäufigkeit Milton Friedman nahm auf längere Frist an, dass sich die Umschlagshäufigkeit des Geldes konstant verhält. Demnach hätte eine Ausweitung der Geldmenge durch den Kauf von Assets von den Unternehmensbilanzen (bsp.wenn diese US-Treasuries hielten) zu Inflation führen müssen... hat es aber nicht, denn in den letzten Jahren ist sie stetig zurückgegangen.


Mit Hinblick auf die USA hat das mehrere Gründe: Die USA haben ein großes Handelsbilanzdefizit, das heißt sie importieren mehr Güter als sie exportieren. Das heißt für einen Großteil der Waren, welchen die Amerikaner importieren, exportieren sie US-Dollar. Diese Dollars bleiben bei der Messung der Inflation außen vor. 


Außerdem ist der US-Dollar die Weltreservewährung, was bedeutet, dass der Groß des internationalen Rohstoffhandels in Dollar abgewickelt wird. Rohstoffpreise sind seit 2008 gefallen, wie der Bloomberg Commodity Index zeigt (Abbildung 3, nächste Seite). Seit ihrem Tief im Frühjahr 2020 notieren sie im Augenblick genau an der Abwärtstrendlinie.


Ein weiterer Grund dafür ist (trifft auch auf Europa zu), dass die neue geschaffenen Währungseinheiten kaum in den Wirtschaftskreislauf gelangen, sie werden zum Teil von den Unternehmen gehortet bzw. in die Asset-Märkte investiert und andererseits agieren die Banken bei der Kreditvergabe sehr konservativ. Auch das sind Folgen der Überschussliquidität in den Märkten. 


Kurz zusammengefasst heißt das, dass für eine zusätzliche Geldeinheit, welche von den Zentralbanken geschaffen wird, weniger als eine Geldeinheit Wachstum erreicht wird. Folgender Chart zeigt das für die USA im langen Trend. Die blaue Linie zeigt die Geldumlaufgeschwindigkeit; die weiße Linie zeigt die jährliche Veränderung des Wirtschaftswachstums in Prozent abzüglich des prozentuellen Wachstums der Geldmenge M2 im 5-Jahres Durchschnitt. Liegt dieser Wert unter der Null-Linie, so wird mehr Geld geschaffen als die Wirtschaft wächst. Dieser Trend zeigt seit 1995 nach unten, d. H. trotz der stark wachsenden Geldmenge nimmt das Wachstum nicht im selben Ausmaß zu, was zur Folge hat, dass auch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sinkt.


In dieser Krise begannen Regierungen ihre Budgetdefizite auszuweiten; in den USA erhalten Arbeitslose Stimulus Checks, damit sie ihre Lebenserhaltungskosten decken können. Bis zu ihrem Auslaufen im Herbst erhielten so viele Amerikaner mehr Geld dafür nicht zu arbeiten als sie in ihren vorherigen Jobs verdienten. Um dies zu tun muss die Regierung Anleihen begeben.


Wenn die Regierung dafür Anleihen ausgibt, die bspw. ein Individuum kauft, so verschwindet der dafür aufgewendete Betrag vom dessen Konto und landet auf dem Regierungskonto bei der Zentralbank. Anstelle des Geldes steht auf der Aktivseite der Bilanz des Individuums eine Staatsanleihe. Die Zentralbank hat eine Verbindlichkeit in der selben Höhe bei der Regierung. 


Wenn die Regierung dieses Geld nun an ein andere Individuen auszahlt, so wechselt das Guthaben der Regierung auf dem Zentralbankkonto auf den Zentralbankkonten der Geschäftsbanken. Die Bilanz der Individuen hat sich somit um eine Staatsanleihe verlängert, während sich am Konto der Regierung eine Verbindlichkeit in Höhe der Staatsanleihe befindet. Auf der Bilanz von Zentralbank bzw. Geschäftsbanken hat sich nichts verändert.  In diesem Fall wurde kein neues Geld geschaffen, weshalb keine Inflation auftreten sollte.


Was passiert nun wenn nicht ein Individuum/Unternehmen die Anleihe kauft, sondern eine Bank? Dann wird für den Kauf der Anleihe Geld vom Zentralbankkonto der Bank auf das Zentralbankkonto der Regierung transferiert. Auf der Bilanzsumme der Zentralbank findet keine Bilanzverlängerung statt.


Allerdings verlängert sich die Bilanzsumme der Bank: Im ersten Schritt hat die Geschäftsbank nun ein Asset auf ihrer Aktivseite, nämlich die Staatsanleihe, nämlich dann, wenn das Geld, welches der Staat für die Ausgabe der Anleihe erhält, in Form von Deficit-Spending in die Wirtschaft zurückfließt. Die Gelder landen auf den Konten der Empfänger, also auf der Passivseite der Bankbilanz und somit landet auch die Reserve wieder auf der Aktivseite der Bank. Dadurch ist die Geldmenge gewachsen und wird nun Druck auf die Preise ausüben, da weiterhin dieselbe Menge an Gütern und Dienstleistungen in der Realwirtschaft produziert wird. Einzig der Schuldenstand des Staates ist gestiegen.


Die Zentralbanken haben jedoch durch die niedrigen Zinssätze bereits stark in die Märkte eingegriffen und somit den Anreiz für die Schuldenaufnahme erhöht. Steigende Defizite erzeugen somit einen relativen Inflationsdruck, falls das Geld dazu verwendet wird Güter und Dienstleistungen zu kaufen. Wenn das frische Geld jedoch für den Kauf von Assets verwendet wird, bspw. für die Spekulation auf den Aktien, Anleihen oder bereits gebauter Immobilien, werden nur dort die Preise steigen. 


Allerdings haben Regierungen die Gewohnheit, dass sie die auslaufenden Anleihen mit neu ausgegeben Anleihen – also weiterer Schuldenaufnahme – zurückzahlen. Es könnte eine Situation entstehen, in der jedoch – wegen von schlechter Konjunkturaussichten, dem hohen Schuldenstand oder anderen Gründen – Banken, Firmen und Individuen nicht mehr bereit sind Anleihen zu erwerben bzw. weniger Anleihen zum gegebenen Zinssatz kaufen. Um den Zinssatz zu halten müsste jemand anderes die zusätzlichen Anleihen aufkaufen: Die Zentralbank. In diesem Falle würde man von der Monetisierung der Schulden sprechen. 


In diesem Fall würde sich die Zentralbankbilanz um ein Asset (der Staatsanleihe) auf der Aktivseite verlängern während sich auf der Passivseite die Verbindlichkeiten gegenüber dem Staat erhöhen würden. Wenn dieses neue Geld an die Empfänger ausgezahlt wird, dann erhöht sich der Kontostand der Empfänger (für die Bank eine Verbindlichkeit), welche auf der Aktivseite der Bank mit zusätzlichen Reserven gedeckt ist. Dieser Vorgang birgt hohe Gefahren von Inflation, weil man sich sicher sein kann, dass die Staaten dieses Mittel mit Freude ausreizen würden, wenn die Zentralbanken erstmalig Anleihen direkt von den Staaten kaufen würden. Bisher passiert das nur am Sekundärmarkt, also wenn Unternehmen, Banken bzw. Individuen die Staatsanleihen haben.


Diese Staatsanleihen werden auch von Investoren aus dem Ausland gekauft, wodurch sich das Risiko quer über den Globus verteilt. Doch es scheint, als ob viele Anleger andere Anlagemöglichkeiten Staatsanleihen inzwischen vorziehen würden. Folgende Abbildung zeigt, dass ausländische Investoren inzwischen weniger US-Staatsanleihen kaufen als in der Vergangenheit.


Die Hinweise verdichten sich, dass bald die Federal Reserve direkt US-Staatsanleihen am Primärmarkt erwerben muss, um die Zinsen weiterhin niedrig halten zu können. In den nächsten Tagen laufen in den USA Staatsanleihen im Wert von einer Billion Dollar aus, im gesamten Jahr 2021 sogar 5,8 Billionen. Bis jetzt kauft die Fed monatlich Staatsanleihen im Wert von 80 Milliarden auf, ein Wert welcher sich angesichts dieser Zahlen weiter steigern wird.



Auch die EZB wird in 2021 vermutlich mehr Anleihen als von ihren Mitgliedsstaaten ausgegeben werden. Das verschleiert bereits jetzt das Risiko und vermittelt ein falsches Sicherheitsgefühl:

Da die Corona-Krise wohl noch etwas länger dauert (Bill Gates sprach in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender CNN davon, dass er erst 2022 mit einer Normalität rechne), werden Regierungen dazu gezwungen sein, ihre jetzt schon hohen Defizite noch weiter auszuweiten. Dies wird zusätzlichen Inflationsdruck erzeugen, besonders wenn man auf Grund der noch längeren Unterbrechung der Lieferketten mit einer noch länger anhaltenden Kontraktion des Güterangebotes rechnen muss. Sobald die Nachfrage wieder etwas anspringt, ist der Nährboden für die Inflation ideal. 


Das wiederum könnte die Zentralbanken dazu zwingen, endgültig mit der Schuldenmonetisierung zu beginnen um die Zinsen weiterhin niedrig zu halten. Powell meinte auf der FOMC-Pressekonferenz diese Woche, dass die Fed an der Seitenlinie bereitstehen wird, bis die USA wieder Vollbeschäftigung erreicht haben. Ob diese Strategie aufgeht bevor die Inflation stark ansteigt, bezweifle ich, aber wissen wird man es erst im Nachhinein. 


Wir haben auch gesehen, dass sich QE in dieser Krise maßgeblich von jenen Formen von QE unterscheidet, welche seit 2008 implementiert wurden: Damals ging es in erster Linie darum, die Banken zu retten und ihre notleidenden MBS aufzukaufen. Erst später wurde mit dem Kauf von Staatsanleihen begonnen, um die Zinsmärkte niedrig zu halten. Das hat eine riesige Anleiheblase entstehen lassen, deren Platzen nun mit der Kreierung einer Alles-Blase ersetzt wird. War QE bis jetzt nur zum Teil inflationär, so werden die Zentralbanken nun aus vollen Rohren feuern... 


Schönes Wochenende, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins (hoffentlich bessere) Jahr 2021! 

Fabian Wintersberger 

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