Vieles Hängt Vom Dollar Ab

  Vieles Hängt Vom Dollar Ab 


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Das Jahr 2021 ist erst wenige Tage alt und dennoch wünscht sich mancher bereits das Jahr 2020 zurück. In Europa ist nach der jüngsten erneuten Verschärfung der Corona-Pandemie noch lange kein Ende des europaweiten Lockdown in Sicht während in den Vereinigten Staaten Trump-Anhänger das Kapitol stürmten und die Nationalgarde ausrücken musste, nachdem die Demokraten nach den Senats-Wahlen im Georgia auch dort nun die Mehrheit haben. Dies hat 10-jährige US Renditen wieder deutlich über die 1 % Marke geschoben und auch die Aktienmärkte reiten – getrieben von der Hoffnung nach noch größeren Stimulus Programmen – von einem Hoch zum nächsten. Starten wir in eine Neuauflage der „Roaring Twenties“? Vieles wird von der weiteren Entwicklung des US-Dollars abhängen, vor allem wie sich die US-Zinsen weiter entwickeln. 


Das neue Jahr wird extrem spannend werden, so viel steht bereits jetzt fest. Waren die Bewertungen schon im Dezember des vorherigen Jahres schon mehr als fragwürdig, so haben sich diese Verzerrungen seit Jahresbeginn noch weiter verstärkt. Die Aktienkurse jagen von einem Hoch zum nächsten und nicht viele erwarten, dass dies erst der Start einer starken Rally sein könnte. In allen westlichen Ländern sind bereits die Impfprogramme gestartet, mit denen man im Herbst 2021 (so der Plan) wieder zur „alten Normalität“ zurückkehren will. Dann – so prognostizieren zahlreiche Ökonomen und Analysten – wird ein Konsumfeuerwerk über uns herein brechen und all das nachgeholt werden, was seit März 2020 nicht versäumt wurde, wegen Corona. 


Bevor wir darüber sprechen, ob dieses Konsumfeuerwerk wirklich eintreten wird, möchte ich vorher noch kurz darauf eingehen, wie wir dorthin gekommen sind: Nachdem im März 2020 die Märkte eingebrochen waren, haben sie sich erstaunlich schnell erholt. Neben den unzähligen Zentralbank- und Regierungsausgabenprogrammen war es vor allem die positiven Zukunftshoffnungen der Marktteilnehmer, welche die Kurse wieder nach oben drückte. 


Vergiss, wenn die Zahlen jetzt schlecht sind, wir haben Pandemie. Denke darüber nach, wie sie in ein, zwei Jahren sein werden – so in etwa lässt sich die vorherrschende Stimmung die seit damals vorherrscht beschreiben. 


Der Haupttreiber der Aktienmärkte war – wie schon seit über einem Jahrzehnt – der amerikanische Markt, der ziemlich schnell wieder neue Rekordhochs erreichte. Die Begründung, warum diese gerechtfertigt sind, hat sich seitdem laufend geändert. Mohamed El-Erian hat dies in einem Interview mit TheMarket.CH wunderbar zusammengefasst: 

Vor der Pandemie hieß es: Trump wird gewinnen, dann bekommen wir noch mehr Steuererleichterungen und Unternehmen werden von Deregulierung profitieren. Dann änderte sich der politische Narrativ: Es wird geteilte Kammern (demokratisches Repräsentantenhaus/republikanischer Senat; Anm.) geben, das ist gut für die Märkte, weil die Politik rausgehalten wird. Dies änderte sich darauf in: Es wird eine blaue Welle geben und deshalb massiven Ausgabenprogramme. Jetzt ist es der Wiederöffnungstrade.


Dieser Wiedereröffnungstrade sollte besonders bei Small-Cap Aktien zu beobachten sein, da diese viel mehr von der realwirtschaftlichen Entwicklung abhängig sind. Entwickelt sich die Realwirtschaft gut, profitieren auch die Aktienwerte im Russel 2000. Am Kursverlauf des Index lässt sich dieser Trend auch tatsächlich beobachten. Das Problem dabei: Während der Index ein neues Allzeithoch erreichte, werden die Erwartungen der Besitzer von KMUs immer pessimistischer.


Ich hätte erwartet, dass sich die Erwartungen verbessern, sobald der Impfstoff verfügbar ist. Da das aber nicht passiert ist, muss man sich die Frage stellen was dann der Grund für die steigenden Kurse sein könnte. Meine Vermutung ist, dass es in erster Linie die Zentralbanken waren, welche mit einem wahren Liquiditätstsunami die Aktienmärkte nach ihren schweren Kursverlusten im März wieder erfolgreich nach oben bewegt haben. 


Abbildung 1: Russel 2000 vs. Small Business Expectations, Reuters, Alessio Urban

Da besonders die Federal Reserve eine noch expansivere Geldpolitik betrieb als beispielsweise die EZB oder andere Zentralbanken, hat sich das nicht nur positiv auf die Aktienmärkte ausgewirkt, sondern andererseits auch negativ auf den US-Dollar. 


Wir erinnern uns: Nachdem der Dollar letzten März als sicherer Hafen besonders stark nachgefragt war hatte der Dollar stark aufgewertet bevor er den Rest des Jahres wieder kontinuierlich gegenüber anderen Währungen abwertete. Als die Risikofreude der Investoren wieder zunahmen floss Geld wieder in risikoreichere Anlagen wie beispielsweise Aktienmärkten in den Entwicklungsländern. 


FX-Trader sind während dieser Zeit nach und nach auf den Waggon aufgesprungen und die Mehrheit ist nun, so wie wir ins Jahr 2021 starten, Dollar Short. Im Chart befindet sich der Dollar nahe der Unterstützungslinie des langfristigen Aufwärtstrends, wobei die technischen Indikatoren stark überverkauft aussehen. 


Abbildung 2: DXY; Pictet Asset Management, Julien Bittel

Allerdings muss man hier das ganze Bild sehen: Der Dollar Index (DXY) ist gegen einen Währungskorb gewichtet, jedoch zu mehr als 50 % gegen den Euro. Weitere Währungen im Dollar Index sind der Japanische Yen, das Britische Pfund, der Kanadische Dollar sowie die Schwedische Krone und der Schweizer Franken. Bis auf den Yen hat der Dollar seit Beginn der Pandemie an Wert verloren. Ein Dollar Crash?


Betrachtet man den Dollar gegenüber Währungen von Entwicklungsländern, so stellt man fest, dass hier deutlich geringere Wertverluste stattfanden als gegenüber den Währungen im DXY. Die nächste Abbildung stammt aus einem Artikel von Jeff Snider zeigt die Wertentwicklung des US-Dollars gegenüber der Indischen Rupie (linke Seite) im Vergleich zu Dollar/Euro (rechte Seite). Ein Verglich mit dem vietnamesischen Dong zeigt dasselbe Bild.

Abbildung 3: Dollar Correlations (USD/INR; EUR/USD); Alhambra Investments, Jeff Snider)

Vergleicht man die Handelsströme der USA, so sieht man, dass Entwicklungsländer einen viel größeren Anteil einnehmen als die jener Länder im DXY:

Abbildung 4: US Trade, Bloomberg

Wenn man all diese Dinge in Betracht zieht, so zeigt sich ein etwas anders Bild als bei reiner Betrachtung des DXYs. Jeff Snider hat Recht, von einem Dollar-Crash ist nichts zu sehen. Ich gehe davon aus, dass die Abwertung gegenüber dem Euro viel mehr ein temporäres Phänomen sein wird, immerhin galt lange die Devise, das die Länder im Euroraum grundsätzlich ein viel besseres Pandemiemanagement an den Tag legten als die Vereinigten Staaten. In der zweiten Welle wird diese Annahme jedoch auf die Probe gestellt. Es verdichten sich darüber hinaus Hinweise, das harte Lockdowns, wie in den meisten europäischen Ländern praktiziert, kein probates Mittel sind und eventuell mehr schaden als sie nützen. Darüber hinaus: Sollte durch die Impfung eine schnelle Normalisierung eintreten, haben die USA vermutlich eine viel bessere Ausgangsposition um Wirtschaftswachstum  als das überregulierte Europa. 


Ein weiterer Aspekt, der in der Analyse berücksichtigt werden sollte ist außerdem die Tatsache, dass der Dollar noch immer die Weltreservewährung ist: Der internationale Eurodollar Markt ist der Garant dafür, dass die Nachfrage nach US-Dollar unverändert hoch ist. Viele Unternehmen in Entwicklungsländern verschulden sich in Dollar um für ausländische Investoren attraktiv zu sein und auch Rohstoffe werden in US-Dollar gehandelt. Besonders Öl spielt hier eine besondere Rolle: Vereinfacht gesprochen wird der Dollar seit Ende der Goldbindung 1971 vor allem durch das Petro-Dollar System gestützt.  


Lyn Alden beschrieb dies in einem lesenswerten, Anfang Dezember veröffentlichten Beitrag treffend: 

Diese auf Dollar lautenden Schulden stellen eine beständige Quelle der Nachfrage nach Dollar dar um diese Schulden zu bedienen. In einer Rezession oder bei Verlangsamung des auf Dollar basierende Welthandels kann es zu einem Durcheinander von Dollar kommen, das außerhalb der USA Mangelware sein kann, was zu einem internationalen Dollaranstieg führt. Dies geschah im März 2020, als die Pandemie den Welthandel stark zurückging und die Ölpreise kollabierten.


Ich gehe davon aus, dass die Annahme, dass sich der Dollar bereits auf einem Crash-Pfad befindet, falsch ist und das wir auf die kurze und mittlere Frist eher eine Aufwertung des Dollars gegenüber anderen Fiat-Währungen sehen werden. 


In der Tat hat der Dollar seit Beginn dieses Jahres begonnen, gegenüber dem Euro wieder aufzuwerten. Grund für diese Entwicklung dürften die – wie zu Beginn des Artikels beschriebenen – Hoffnungen nach einem Konsumfeuerwerk im zweiten Halbjahr 2021 sein, wodurch Investoren auch mit einer steigenden Inflation rechnen. 


Wegen der steigenden Inflationserwartungen erwarten die Marktteilnehmer, dass die Federal Reserve an einem bestimmten Punkt wieder damit beginnen wird, ihre Anleihekäufe zurückzufahren und in einem weiteren Schritt die Zinsen wieder leicht anheben werden. Das lässt sich aus der stark steiler werdenden US Zinskurve schließen:


Abbildung 5: US-Treasury Yield Curve; Bloomberg, FWI

Seit Jahresbeginn hat sich die US 10Y Treasury Rendite innerhalb weniger Tage um fast 30 Basispunkte erhöht und notiert nun wieder deutlich über einem Prozent. Die Annahme, dass die Inflation wieder anziehen könnte, wirkt in Anbetracht dieser Tatsache plausibel. Darüber hinaus haben einige Mitglieder der Federal Reserve diese Annahme in jüngsten Statements weiter befeuert, auch wenn andere in dieser Woche wieder zurückruderten.


Allerdings liegt die Inflation gemessen am Konsumentenpreisindex weiterhin weit unter den von der Federal Reserve angestrebten 2 Prozent. Bei genauerer Betrachtung der Daten erkennt man jedoch, dass die Preise bereits in einigen Märkten stark anziehen, beispielsweise bei Gebrauchtwagen, Baumaterialien, Versanddienstleistungen, Häuserpreisen und Nahrungsmitteln.

Abbildung 6: Bloomberg Agricultural Spot Index; Bloomberg, ZeroHedge

Auf der anderen Seite sind die US Zinsen noch immer deutlich unter ihrem 5-Jahresdurchschnitt (2,1%), womit noch deutlich Raum nach oben ist im Falle einer Normalisierung.

Abbildung 7: US Treasury Yields vs. long term average; Bloomberg, Business Insider

Ein steigender Dollar, begleitet durch steigende Zinsen könnte schwerwiegende Folgen für Anleihe und Aktienpreise haben. Immerhin sind in beiden Märkten bereits jetzt extreme Bewertungen das neue Normal. Steigende Zinsen bedeuten, dass mit einem Rückgang der Anleihepreise zu rechnen ist, was – wie auch eine Analyse vom Morgan Stanley zeigt – einen negativen Einfluss auf die Aktienpreisentwicklung bedeuten könnte.


Die Analysten schreiben, dass

basierend auf einigen simplen Beziehungen mit Aktien, Rohstoffen und Wirtschaftswachstumsprognosen, die Renditen auf 10Y US-Treasuries zumindest 100 Basispunkte, oder 1 %, zu niedrig sind.
Aber, so die Analysten:
Ein Anstieg von über 1 % bei US-Treasury Renditen würde zu einem Rückgang des Kurs-Gewinn-Verhältnisses von 18 % führen, ceteris paribus. Für den Nasdaq 100-Index würde dieser Anstieg einen Rückgang des KGVs von 22,5 % bedeuten. 
 

Abbildung 8:  US Treasury Yields vs. Nasdaq 100 Valuations; Bloomberg, Business insider

Ob diese Prognose zutrifft hängt meiner Meinung nach stark von der zukünftigen Entwicklung des US-Dollars ab. Schließlich bedeutete ein schwächerer US-Dollar in diesem Jahr Rückenwind für Aktienpreise bei US-Titeln. Je höher der US-Dollar ansteigt, desto höher die Wahrscheinlichkeit dieser starken Bewertungseinbrüche. 

Ein starker Dollar (begleitet von steigenden Zinsen) würde US-Produzenten schaden, da dadurch der Import von Produkten billiger wird und zu einer noch stärkeren Verschiebung der Produktion ins Ausland (Emerging Markets) führen könnte. Dadurch könnten US-Aktien unter Druck geraten. 


Sollte jedoch der US-Dollar weiter fallen, so wird diese Annahme eher unwahrscheinlicher. Einerseits würde das einerseits die US-Position im Globalen Handel stärken, da sie ihre Güter billiger in andere Länder exportieren könnten, andererseits würde sich das Handelsdefizit jedoch weiter ausweiten und würde wieder Druck auf die langlaufenden US-Zinsen bzw. die Inflation ausüben (weil Importe/Rohstoffe teurer werden). Würde die Federal Reserve an diesem Punkt eingreifen und die Zinsen durch Anleihekäufe wieder nach unten drücken, könnte dies jedoch zu einem weiteren Verfall des US-Dollars gegenüber anderen Währungen führen. Aktien könnten in einem solchen Umfeld steigen, die Frage ist jedoch: Steigen sie auch gemessen in anderen Währungen?


Solange jedoch die globale Nachfrage nach Dollar über das Eurodollar System weiterhin hoch ist, sollte dies andererseits die Abwertung verlangsamen oder eventuell ins Gegenteil umkehren. Interessant in dieser Hinsicht ist, dass Russland seit kurzem mehr Goldreserven als US Staatsanleihen besitzt. Sollten andere Länder folgen könnte dies eine große Gefahr für das Dollar-Währungssystem bedeuten. 


Abbildung 9: Gold Stash; Bloomberg

Man sollte all diese Entwicklungen weiter stark beobachten: Wenn man herausfindet, was der Dollar macht, kann man seine Anlagestrategie danach ausrichten. Sollten die Finanzmärkte jedoch wieder unter Druck kommen, so würde dies einen ziemlich schlechten Start in die Roaring Twenties bedeuten. 


Schönes Wochenende und bis nächste Woche!


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